Zum Gebirge fehlt Altglienickes Bergen nur die Hefe, scherzte Bäckermeister Beuster vor hundert Jahren. Die Dorfbewohner kannten damals ihren »Kiesberg«, den »Mühlenberg «, der nach 1914
»Schulberg« genannt wurde, den »Apothekerberg« und die Bergstraße (Keltensteig). Weit außerhalb des Dorfes lagen die »Falkenberge«, deren höchster Punkt mit 59,6 m über NN angegeben und
inoffiziell als »Buntzelberg« bezeichnet wurde. Auf dieser Anhöhe hatte sich der Gartenbaudirektor Buntzel einen feudal anmutenden Wohnsitz errichtet. Teile des »Buntzelschlosses« existieren
heute noch und gehören zum Krankenhauskomplex »Hedwigshöhe«.
Bis nach Hedwigshöhe reichten einstmals Haberechts Äcker. Altglienicker Wald und Wiesen erstreckten sich hinunter bis zum Bahnhof Grünau. Eine neue Grenzlinie wurde vor einigen Jahren am
Autobahnzubringer und der S-Bahntrasse am Bahnhof Altglienicke gezogen. Altglienicke musste auf seine östliche Feldmark, das Richtersche Gutshaus und die Gartenstadt Falkenberg, die 2008 von der
UNESCO zum »Welterbe« erklärt wurde, verzichten und kann heute nur noch seine »verlorenen Ostgebiete « beklagen. Das »Vorwerk Falkenberg«, vormals auch Gut »Friedrichsthal« genannt, gehörte einst
den v. Schlabrendorfs und war seit dem 19. Jahrhundert im Besitz des Premier-Leutnants Ferdinand Gustav Richter. Als langjähriges Altglienicker Gemeinderatsmitglied und Teltower
Kreistagsabgeordneter hatte er sich stets um eine Verbesserung der Straße am Falkenberg bemüht, die sein Gut mit der Dorfgemeinde Altglienicke verband. Dieser Wunsch erfüllte sich erst Anfang des
20. Jahrhunderts, als durch den Bau des Teltowkanals viel Sand anfiel. Der größte Teil des Aushubs wurde zur Hochlegung der seit 1866 existierenden Bahnstrecke der »Berlin-Görlitzer Eisenbahn«
verwendet. Mit dem Rest wurden die Grünauer Straße und die Straße Am Falkenberg aufgeschüttet. Durch Eisenbahnbrücken an der Köpenicker Straße und am Bahnhof Grünau verbesserten sich die
Verkehrsverbindungen von und nach Altglienicke und begünstigten neue Ansiedlungen. Der Sand des Teltowkanals bewegte 1902 auch die Siedler des Falkenbergs, einen Haus- und Grundbesitzerverein zu
gründen, um den Forderungen seiner Mitglieder bei der Erschließung des Siedlungsgebietes mehr Gewicht zu verleihen. Der notwendige Straßenbau war der äußere Anlass für die Gründung des Vereins,
der sich dann jahrzehntelang intensiv für die Entwicklung des Altglienicker Falkenbergs einsetzte. Ein Unternehmerkonsortium der Gründungsmitglieder Rose und Schirner legte die Straßen an und
gewann damit begüterte Berliner »Stadtflüchter« für das Wohnen im Grünen mit dem Ziel, Falkenberg in eine Villenkolonie zu verwandeln. Die Wasserversorgung, die anfangs durch Windräder betrieben
wurde, sicherte das neue Wasserwerk und sein wuchtiger Wasserturm wurde zum Wahrzeichen des Falkenbergs. Eine bessere Verkehrsverbindung versprach man sich durch einen eigenen Bahnhof am
Teltowkanal. Eine dazu nötige Brücke über den Plumpengraben wurde von der Gemeinde an der Falkenbrunnstraße gebaut. Doch die Bahn machte nicht mit. 1904 stimmten inzwischen vier
Grundbesitzervereine gemeinsam für eine elektrische Straßenbahnlinie von Köpenick über Adlershof, Altglienicke nach Grünau.
Der Wäschereibesitzer Hermann Drösse (Drössestraße) setzte sich namentlich dafür ein. 1909 fuhr die erste Straßenbahn, aber nur zwischen Altglienicke Kirche und Bahnhof Adlershof. Die Falkenberger mussten bis 1928 warten und die Strecke endete schon an der Preußenstraße. Der Falkenberg begann mehr und mehr ein Eigenleben zu führen. Hatte die Gemeinde Altglienicke 1893 ihren hundertjährigen Ärger mit den Neu-Glienickern durch die Vereinigung von Alt- und Neu-Glienicke beenden können, so gab es kaum ein Jahrzehnt später wieder Unruhe mit »den Neuen« auf dem Falkenberg. Soziale und mentale Unterschiede zwischen Villenkolonie und ländlicher Gemeinde machten sich bemerkbar. Berliner Geschäftssinn und Redegewandheit der neuen »Kolonisten« traf auf märkische Bodenständigkeit, kleinbürgerliche Bescheidenheit und bäuerlichen Eigensinn. Je mehr »bessere Leute« den Falkenberg für sich entdeckten, ihre von Reichtum und Wohlstand zeugenden Landhäuser errichteten und von oben auf das alte »Kuhdorf« herab sahen, desto trotziger reagierte »Altnicki«, die belächelte oder verspottete und in ihrem Selbstwertgefühl getroffene Dorfgemeinde. Die räumliche Distanz zwischen Dorf und Falkenberg versuchte seit 1904 eine »Terrain-Gesellschaft Altglienicke am Falkenberg« zu verringern. Sie parzellierte die Freiflächen und überzog sie mit einem ausgedehnten Straßennetz. Die Gründungsmitglieder des Falkenberger Hausbesitzervereins Rose und Schirner hatten gegenseitig ihre Verdienste um die Landhauskolonie gewürdigt, indem sie den Straßen, die 1908 gepflastert wurden, ihre Namen gaben. Nur Stegemann wollte seinen Namen nicht auf einem Straßenschild verewigt sehen. Er hatte einen Brunnen angelegt und nach dem nannte man die Mittelachse der Siedlung Falkenbrunnstraße.
Jubiläum für ein UNESCO-Weltkulturerbe
Sie ist als Siedlungsprojekt der Moderne des 20. Jahrhunderts ein Aushängeschild unseres Bezirkes. In diesen Wochen jährte sich zum 100. Male die Grundsteinlegung für ein ehrgeiziges Vorhaben,
dass obwohl nie in der vollen Planung ausgeführt über Berlin hinaus Strahlkraft für unsere Region hat. Das zuständige Komitee der UNESCO nahm sie sogar am 7. Juli 2008 bei einer Tagung in Quebec
(Kanada) in die Liste des Welterbes auf. Damals hieß es dazu, sie repräsentiere einen neuen Typus des sozialen Wohnungsbaus aus der Zeit der klassischen Moderne, der in der Folgezeit
beträchtlichen Einfluss auf die Entwicklung von Architektur und Städtebau ausübte. Der ursprünglich aus Königsberg (Pr.) stammende Architekt Bruno Taut bekam 1912 von dem „Berliner Spar- und
Bauverein“ und seinem Vorläufer der „Gemeinnützigen Baugenossenschaft Gartenvorstadt Groß-Berlin“ (der heutigen „Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG“) den Auftrag, im Südosten
von Berlin für ein 75 Hektar großes Gelände an der damaligen Grenze Altglienickes zu den benachbarten Orten Bohnsdorf und Grünau unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten als Hanglage
einen Bebauungsplan auszuarbeiten. Dazu wurde das bisher landwirtschaftlich genutzte Gelände des Restgutes Falkenberg erworben, mit dem alten Richter’schen Gutshaus am Ende der Straße Am
Falkenberg.
Sein Gesamtplan für die Gartenstadt am Falkenberg sah etwa 1.500 Wohnungen für rund 7.000 Einwohner vor. Dabei sollten sich – nach dem Vorbild englischer Reihenhäuser (hier galt Ebenezer Howard
als Pionier) – Quartiere mit zweigeschossigen Zeilen aneinanderreihen, die im Rhythmus der ansteigenden Topografie gestaffelt werden.
Mehr Fotos von der Gartenstadt Falkenberg auf : www.nach-gedacht.net
Jedes Haus sollte eine eigene Farbe erhalten und Bezüge zum Garten und zu den öffentlichen Räumen haben. Es entstanden relativ kleine Wohnungen, die aber alle mit Küche, Bad und Garten
ausgestattet waren. Von der gesamten Planung wurden lediglich im ersten Bauabschnitt bis Oktober 1913 um den Akazienhof für 300.000 Mark 34 Wohnungen und im zweiten Abschnitt bis August 1914 am
Gartenstadtweg für 700.000 Mark 93 Wohnungen realisiert, da wirtschaftliche Schwierigkeiten und der 1. Weltkrieg die Bautätigkeit unterbrachen. Jede dieser Wohnungen verfügte über einen kleinen
Hausgarten von 120 bis 150m² Fläche. Für viele, die so dem Mietskasernenelend Groß-Berlins entflohen, ein Traum. Geplant war eine spätere Fertigstellung, jedoch verhinderte die
Nachkriegsentwicklung eine solche. Im nachfolgendem Nationalsozialismus wurde Taut, der als Architekt auch kurzzeitig in Moskau wirkte, als „Kulturbolschewist“ diffamiert, seiner Professur an der
Akademie der Künste beraubt, emigrierte schließlich nach Stationen ab 1933 in der Schweiz und Japan ab 1936 in die Türkei, wo er als Ehrenbürger Istanbuls 1938 nur 58-jährig verstorben seine
letzte Ruhe fand. Damit blieb es bei der Ausführung eines nur kleinen Teils der Gartenstadt. Die Gebäude stehen heute sämtlich seit 1977 unter Denkmalschutz.
Nach der Wiedervereinigung kam die zu DDR-Zeiten von der „Kommunalen Wohnungsverwaltung“ (KWV) betreute Gartenstadt Falkenberg mit allen brach gebliebenen Flächen zurück zur „Berliner Bau- und
Wohnungsgenossenschaft 1892“ . In diesem Zuge wurde eine Bebauung der weiteren Flächen nach fast 8 Jahrzehnten wieder aktuell. 1992 wurde von der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen für
die 40 Hektar große Brachfläche ein beschränkter Realisierungswettbewerb ausgelobt. Hier ging die Berliner Architektengemeinschaft Quick und Bäckmann als Sieger hervor. Ihr Konzept distanzierte
sich aber vom ursprünglichen Taut’schen Bauprogramm und interpretierte die Gartenstadtidee in einer zeitgemäßen Form. So entstand die „Neue Gartenstadt Falkenberg“ in Richtung Krankenhaus
Hedwigshöhe und Paradiesstraße.
Hervorstechend für die alte zwischen 1992 und 2002 sanierte Gartenstadt Taut’scher Prägung ist die intensive Farbgebung, die der Wohnanlage den Beinamen „Tuschkastensiedlung“ eingebracht hat.
Diese Farbigkeit stand im Gegensatz zum seinerzeit unter dem Einfluss von John Ruskin vorherrschenden Grundsatz, dass nur die Materialfarben die „rechtmäßigen Farben“ der Architektur seien. Damit
blieb allerdings jede abwechslungsreichere Farbigkeit an einen entsprechenden Materialaufwand gebunden. Bruno Taut dagegen verselbstständigte die Farbe gegenüber dem Baustoff und schuf damit ein
wirksames und billiges Mittel für eine neuartige Gestaltung im Wohnungsbau. Taut sorgte auch anders als bei anderen, relativ eintönigen Großsiedlungen für eine abwechslungsreiche Gestaltung von
Straßen und Plätze. Im Akazienhof steht z.B. das Kopfhaus nicht zentriert, sondern nach rechts verschoben. Auch andere Häuser sind leicht versetzt, so dass der Eindruck eines gewachsenen Hofes
entsteht.
In der damals eigenständigen Gemeinde Altglienicke, zu der die Bruno-Taut-Siedlung gehörte (erst 1998 wurden die Ortsteilgrenzen vom Bezirksamt so verschoben, dass die Siedlung neu zu Bohnsdorf
kam), war die Gartenstadt sehr umstritten. Man beklagte sich zum einen über die grelle bunte Farbgebung der Häuser, wie auch dass in diese Siedlung vor allem Arbeiter aus Berlin zogen, die
geneigt seien Sozialdemokraten zu wählen und das Ortsgefüge durcheinander zu bringen. In den Gemeindesitzungen wähnte man gar den Zuzug von „lichtscheuem Gesindel“ und „Hühnerdieben“. Die neue
Siedlung entwickelte über lange Zeit ein Eigenleben fern des eigentlichen Altglienicke. Ab 1914 und nur zeitweilig durch den Krieg unterbrochen fanden hier alljährlich große Volksfeste mit bis zu
40.000 Besucher statt statt, die in der Tat ein Treffpunkt für das linke Berlin waren. So hieß es im Plakat sarkastisch „Volksfest der Falkenberger Pfahlbauer“ und wurde als Besucher eine
„Deputation von Marsbewohnern“ angekündigt, die ein „Denkmal der Wurstigkeit“ enthüllen wollen.
Es wurden geboten Volkstanzgruppe der Gartenstadt-Jugend, der Männerchor und eine Laienspiel-Gruppe der Erwachsenen. Die Volksfeste am Falkenberg besuchten bekannte Dichter und Künstler, wie
Erich Mühsam und Erich Weinert, aber auch Mitglieder der Volksbühne und des Reinhardt-Theaters aus Berlin-Mitte. Der berühmte sowjetrussische Eisenstein-Film „Panzerkreuzer Potemkin“ hatte hier
trotz Proteste des Reichswehrministers v. Seekt 1925 seine deutsche Freilichturaufführung. Es gab eine eigene Zeitung mit dem „Falkenberger“ , eine Falkenberg-Hymne und eine Taut-Fahne. Ab 1933
war dann damit vorbei. Ab Anfang der 60er Jahre bis Ende der 90er Jahre flammte noch einmal die Idee Falkenberger Volksfeste auf, konnten aber nie wieder an alte Zeiten anknüpfen.
100 Jahre Gartenstadt Falkenberg strahlt auch insgesamt auf ein jahrhundert Ortslage Falkenberg aus, jenem Teil Altglienickes, der in so etwa westlich bei der Preußenstraße und dem heutigem Bahnaußenring beginnt. Befanden sich die um 1905 errichteten Gebäude von Wasserwerk und Wasserturm in noch weitgehend unbebauten Areal, begann vor rund 100 Jahren die Besiedlung der Hanglage zwischen Urstromtal und Teltow-Hochplateau, dessen Ausläufer der sogenannte Falkenberg ist, der auf Bohnsdorfer Seite auch Buntzelberg genannt wird. Um 1911 wurde an Preußen- und Germanenstraße mit dem Bau einer Arbeiter-Kolonie der Landwohnstättengesellschaft mbH begonnen, der sogenannten „Preußensiedlung“. In dieser Zeit herum wurde auch mehr und mehr das Areal zwischen Straße am Falkenberg und Germanenstraße zwischen Rosestraße und Drössestraße mit Villen und Wohnhäusern bebaut. So erschloss sich schließlich Altglienicke zunehmend vom Ortskern her mit einer Bebauung bis hin zum Bahnhof Grünau.
(Der Text wurde vom Herausgeber der Zeitung " Der Dörferblick " von Joachim Schmidt und die Foto aus dem Jahr 2006 wurden von Dirk Matzen von der Internetseite www.nach-gedacht.net zur Verfügung
gestellt. Vielen Dank. )