In der heutigen Semmelweisstraße 8 und 8A (Früher Friedrichstraße) sollen schon 1910 Stummfilme vorgeführt worden sein. Der unmittelbare Kirchennachbar war Rudolph Haberecht mit seinem
Gesellschaftshaus, einer Gastwirtschaft mit größerem Festsaal als die damalige Reichshalle (heute Ebel).
Bis zum Jahr 1914 fanden die jährlichen Schulabschlussfeiern in Haberechts Festsaal statt, danach nur noch in der schönen Aula der großen neuen Schule. Auch der Altglienicker Landwehr-Verein
hatte bei Haberechts sein Vereinslokal und feierte im Saal Kaiser Wilhelms Geburtstag mit Theater, Verlosung und Festball. Ob der Gastwirt Haberecht schon eine Filmvorführungs-Lizenz für ein Kino
besaß, ist nicht bekannt.
Die Corso-Lichtspiele Altglienicke sollen 1910 gegründet worden sein und wurden von 1937 von Alexander Walburg geführt. Das Dorf Altglienicke hatte mit dem Kino eine großstädtische Attraktion.
Die hübsche Frau Walberg saß im Foyer an der Kasse, vor der sich oft lange Schlangen bildeten, die über den Hof manchmal bis auf die Straße hinaus reichten. Auf der Leinwand strapazierten Pat und
Patachon die Lachmuskel, Henny Porten die Tränendrüsen und Harry Piel ließ den Atem stocken.
Henny Porten frisst die Torten, Harry Piel sitzt am Nil, wäscht die Beene mit Persil, reimten die Berliner. Eines Tages verbreitete sich das Gerücht, Harry Piel drehe in Altglienicke einen Film.
Man erwartete ihn an Solles Windmühle, wo er an die Flügel gebunden herumgewirbelt werden sollte. Viele Neugierige kamen, um ihren Filmhelden zu sehen und einige warteten vergebens bis zum Abend.
Sie waren auf einen Scherz hereingefallen. Der unmögliche Herr Piel saß sicher noch am Nil.
Ein anderer Abenteuerer und geschäftstüchtiger Östereicher verkaufte in Haberechts stillgelegter Gaststätte nach dem Kriege für kurze Zeit Sämereien, die er bei den auf Selbstversorgung
eingestellten Altglienickern reißend los wurde. Bald darauf war er verschwunden. Seine Rechnung war aufgegangen, nicht aber die Saat. Er hatte einen größeren Posten Samentüten mit Sägespäne
gefüllt.
Dienstags und Freitags wechselte das Kinoprogramm mit <<Wochenschau und Kulturfilm>>, die gewöhnlich vor dem Hauptfilm liefen. Auch Werbe-Dias von Altglienicker Gewerbetreibenden
wurden gezeigt, wie >>Pittel & Kniebel oder Radio-Haase<<. Sonntags gab es eine Kindervorstellung. Großer Andrang herrschte bei Filmen mit Theo Lingen, Hans Moser, Marika Rökk
oder Zarah Leander, Hans Albers und Heinz Rühmann und nach dem Kriege begeisterten uns >>Der Graf von Monte Christo<< oder >>Fanfan der Husar<< mit Gerard Philippe und
Gina Lollobrigida. Wir sahen hier die ersten DEFA-Filme >>Die Mörder sind unter uns<<, >>Ehe im Schatten<<, >>Der Untertan<< und später >>Karbid und
Sauerampfer<<. Ende 1950er Jahre begann das Kinosterben. Das Kino Corso schloss 1963.
Als Konrad Wolf 1973 seinen Film >> Der nackte Mann auf den Sportplatz<< drehte, war der Kinosaal schon wegen Baufälligkeit gesperrt und er war längst abgerissen, als Leander Haußmann
2008 in der Preußensiedlung seine >>Dinosaurier<< filmte. Bis zur Wende war ein Schuhladen im Vorderhaus. Danach wurde Haus und Saal abgerissen und das Gebäude als Wohn- und
Geschäftshaus wieder errichtet. Ein Musikwissenschaftler eröffnete einen Buch-Instrumenten- und Musikalienladen >>BIM<< und versuchte mit Lesungen und Veranstaltungen kulturelle
Interessen zu wecken. Aber seine Rechnung ging nicht auf. Heute lässt man sich dort vom Friseur die Haare raufen oder nebenan auf den Zahn fühlen