Oft fehlt uns der Blick für die Schätze der Natur in unserer unmittelbaren Umgebung. Ein Projekt im Kiezladen WaMa befasst sich seit 2019 mit den Bäumen und Sträuchern im Grünzug des Kosmosviertels - darunter allerlei Exoten, die es nicht allzu häufig in unserer Region gibt. Der Herzblättrige Trompetenbaum, der Japanische Schnurbaum, der Kentucky-Coffeetree (auch Geweihbaum genannt), das Chinesische Rotholz (auch Urweltmammutbaum genannt) oder die Schwedische Mehlbeere – bei solch wohlklingenden Namen wähnt man sich in einem botanischen Garten, aber nicht unbedingt im Grünzug des Altglienicker Kosmosviertels. Dieser hat tatsächlich wahrhafte Schätze an Baum- und Straucharten zu bieten, die in Berlin äußerst selten zu finden sind. Als vor mehr als drei Jahrzehnten das Kosmosviertel entstand, wurden auf einer zuvor ausschließlich landwirtschaftlich genutzten Fläche erste Bäume gepflanzt. In den folgenden Jahren legte man bei der Schaffung des Grünzuges großen Wert auf eine besondere gartenarchitektonische Gestaltung. Leider ist diese Besonderheit an Bäumen und Sträuchern inzwischen in Vergessenheit geraten. Die meisten von uns erkennen bestenfalls Ahorne, Birken, Eichen, Kastanien oder Linden, wie sie häufig den Berliner Straßenrand säumen.
Nicht so der Geologe Detlef Kirstein, der sich hauptsächlich mit Mineralogie und Paläontologie beschäftigte, später aber auch sein Interesse für die lebende Botanik entdeckte und in mehreren natur- und umweltpädagogischen Einrichtungen arbeitete. Schließlich trat er eine Stelle im Kiezladen WaMa im Altglienicker Kosmosviertel an. Sofort fielen ihm auf seinem Arbeitsweg die vielen exotischen Pflanzen im Grünzug des Viertels auf, von denen einige sogar auf anderen Kontinenten beheimatet sind. Detlef Kirstein begann, den gesamten Baum- und Strauchbestand im Grünzug zu sichten, zu analysieren und zu erfassen. Während er unserer Redaktion die Entwicklung beschreibt, kommt er immer wieder ins Schwärmen über die diversen Baumarten, ihre Herkunft, Blätter, Früchte und weiteren Besonderheiten: etwa der im Herbst leuchtend gelb schimmernde Eisenholzbaum, der als Ziergehölz aus dem Iran stamme. Einige Bäume und Sträucher seien dabei auch ein beliebter Lebensraum für bestimmte Insektenarten.
Als im Jahr 2019 der Bürgerverein Altglienicke im Kiezladen WaMa eine Ausstellung zu 30 Jahre Kosmosviertel eröffnete, hielt Detlef Kirstein einen ersten Vortrag über die botanische Vielfalt im Quartier. Ergänzend kam die Ausstellung „Natur im Kosmosviertel“ hinzu. Auf der Webseite der WaMa stellt Detlef Kirstein alle zwei Wochen ausführlich neue Baumarten vor: http://kiezladen-wama.de/gruenzug/
Für sein Projekt bekam er schon jede Menge positives Feedback. Zukünftig sind weitere Aktionen geplant: 2021 sollen vor einigen Bäumen Beschilderungen mit Informationen zur Baumart angebracht werden. Im Schaufenster des Kiezladens WaMa soll es eine Bildschirmpräsentation geben. Darüber hinaus sind Projekte mit Kindern geplant, etwa in Zusammenarbeit mit Schulen, in denen spielerisch Wissen über die Baumarten vermittelt wird –natürlich nur in dem Rahmen, den die Corona-Situation zulässt.
Quartiersmanagement & BENN
Kosmosviertel
Schönefelder Chaussee 237, 12524 Berlin - Tel: (030) 77 32 01 95
www.kosmosviertel.de - team@kosmosviertel.de
Nach über einem Jahr harter Arbeit ist es geschafft. Am 14. Juli haben rund 25 Anwohner*innen, Geflüchtete und die Mitarbeiter*innen des Quartiers-management die Hochbeete an der Ladenpassage neu bepflanzt. Bald wird gefeiert und fleißig weiter im Kiez gewerkelt.
Mit zehn Helfern und Helferinnen aus dem Kosmosviertel ging es um 13 Uhr los. Mit dabei: Die Organisatoren vom InfoPunkt Altgienicke, das Quartiersmanagement, Nachbarn aus dem Kiez und Helfer aus der Notunterkunft in der Rudower Straße. Das Ziel und die Herausforderung waren groß: Zunächst mussten noch letzte Unkrautreste in den sieben bereits verschönerten Beeten gejätet werden, dann kamen endlich die neuen Pflanzen in den Boden. Trotz der großen Anstrengung stieg die Laune, da noch weitere Helfer*innen aus der Gemeinschaftsunterkunft Quittenweg zur Unterstützung, gemeinsam mit dem BENN Team, dazukamen und als Überraschung auch noch Selbstgebackenes vorbeibrachten.
Ab 16 Uhr – dem eigentlich geplanten Ende – packte die Gruppe dann nochmal der Ehrgeiz und es ging in den Endspurt. Entgegen aller Erwartungen und Dank der großen Unterstützung kamen tatsächlich alle neu gekauften Pflanzen in die Erde. Und Dank Musik und Leckereien vom Grill waren um 18 Uhr alle Beteiligten überglücklich und stolz auf die in der Abendsonne glänzenden Hochbeete. Vorausgegangen war dem nämlich eine über einjährige Vorarbeit.
Einen Nerv getroffen
Nachdem auf den Hochbeeten 16 Jahre lang nur Unkraut gewuchert hatte, gaben der InfoPunkt Altglienicke und das Quartiersmanagement im vergangenen Jahr den Anstoß, sie wieder zu bepflanzen. Schon die erste Herbstbepflanzung hat im Kosmosviertel einen Nerv getroffen. Die benachbarten Ladeninhaber*innen haben die Blumen und Sträucher regelmäßig gegossen. Nach leichten Startschwierigkeiten ging es dann in diesem Jahr weiter. Bereits im Juni haben einige Hochbeet-Aktivisten an zwei Freitagen mit Hacke und Spaten kniehohe Disteln, Löwenzahn und anderes Unkraut ausgerissen. Die große Pflanzaktion sollte eigentlich schon am 30. Juni über die Bühne gehen, doch an diesem Tag machten heftige Regengüsse einen Strich durch die Rechnung.
Beim zweiten Anlauf spielte das Wetter aber mit. Die neuen Pflanzen sind winterhart: Beetrosen, Zitronenquitte, gelb- und weißblühender Fingerstrauch und andere bodendeckende Sträucher wachsen nun in den Hochbeeten. Bezahlt wurden die Pflanzen von der Lokalen Agenda 21 des Bezirks Treptow-Köpenick. Evi Lashöfer vom Infopunkt hatte dort das Geld beantragt. Die neuen Anpflanzungen sollen nun ohne Probleme den nächsten Winter überstehen. Das Gießen übernehmen weiterhin die Gewerbetreibenden. Alle Beteiligten hoffen, dass das Ergebnis ihres ehrenamtlichen Engagement geachtet wird und niemand die Hochbeete als Mülleimer oder Aschenbecher missbraucht. Gefeiert werden soll der große Erfolg wie im letzten Jahr in einer kleinen Feier an den Hochbeeten.
Weiter geht’s im Kosmosviertel
Die Reihe der Pflanzaktionen ist damit zunächst abgeschlossen, im Kiez soll es aber weitergehen. Denn allen ist klar, dass man dranbleiben muss. Das Quartiersmanagement hat schon verschiedene Vorschläge gesammelt. Rundum das neue KosmosForum, einem Treffpunkt direkt neben dem großen Spielplatz, sollen so noch in diesem Jahr erste Aktionen im Kosmosviertel umgesetzt werden. Die ersten Ideen stehen schon und so werden in diesem Jahr sicherlich noch der ein oder andere Betonblock farblich gestaltet, ein neuer Bolzplatz gebaut, Spielplätze geputzt oder ein Trödelmarkt stattfinden. Große Vorhaben für einen kleinen Kiez, aber mit dem Blick auf die Hochbeete scheint doch vieles möglich, was noch im letzten Jahr fast unvorstellbar schien.
Quartiersmanagement Kosmosviertel Schönefelder Chaussee 237, 12524 Berlin, Tel: (030) 77 32 01 95
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Sprechzeiten: Di. 10 bis 12 Uhr; Mi. 18 bis 20 Uhr
Der Sommer startet langsam so richtig und damit auch ein neues Projekt im Kosmosviertel, das KosmosForum – gemeinsame Gestaltung des öffentlichen Raumes“. Wie der Name schon sagt geht es darum, dass Groß und Klein, Jung und Alt in den nächsten eineinhalb Jahren die Chance haben das Kosmosviertel mitzugestalten. Dabei sollen ganz unterschiedliche Aktionen umgesetzt werden. Was aber immer gilt: die Aktionen sollen nicht drinnen, sondern draußen stattfinden. Und die meisten eher dauerhaft als kurzfristig. Das können Sitzmöbel, bunte Wände oder Spielgeräte sein, aber auch Aktionen wie gemeinsames Pflanzen, Spiele oder Ähnliches.
Was genau gemacht wird, soll gemeinsam überlegt und diskutiert werden. Daher wird mit dem Start des Projektes im Juli das KosmosForum gebaut – eine Mischung aus Informations- und Versammlungsort. Zum Sitzen, Reden und Ideen skizzieren. Hier sollen Ideen sichtbar und Diskussionen geführt werden. Ab Ende Juli soll fast jede Woche eine neue Idee präsentiert werden, mal groß, mal klein, mal total verrückt mal realistisch. Die Ideen sollen dabei vor allem von Nachbarn kommen und mit allen die Lust haben mitzumachen besprochen werden. Mindestens einmal die Woche werden die neuen Kollegen im Kiez daher Rede und Antwort stehen. Und für die restliche Zeit können Nachrichten auch immer an den Tafeln und Wänden den Forums selbst hinterlassen werden. Der perfekte Ort dafür wird noch gesucht. Aber vielleicht gibt es ja schon gute Ideen von den Nachbarn, wo das Forum seine Heimat finden sollte.
Das Forum soll so ein Ort zum Gedankenaustausch und zum Ideenentwickeln für den öffentlichen Raum im Kosmos Viertel werden … und ein Ort wo sich jeder beim Nachdenken die Sonne auf den Bauch scheinen lassen oder vor allem in Richtung Herbst auch Schutz vor Regen finden kann. Denn das Forum soll in mehreren Stufen gebaut und entwickelt werden. Anfangs kleiner und mit drei bis vier Sitzplätzen, später dann etwas größer und für eine ganze Schulkasse. Wer mitmachen will ist dabei natürlich herzlich eingeladen.
Das Forum soll sich aber nicht nur baulich verändern, sondern auch in seinem Aussehen. Angedacht ist noch als zusätzliche Idee die farbliche Gestaltung gemeinsam mit jugendlichen Graffitikünstlern in regelmäßigen Abständen zu verändern. Auch hier sollen alle Leute mitsprechen dürfen. Denn es soll nicht nur im klassischen Graffiti Stil gestaltet werden, sondern auch Ideen von anderen Anwohnern – speziell von Älteren aufgegriffen werden. Vielleicht wird das KosmosForum so auch mal zu einem typischen Wohnzimmer aus der Nachbarschaft umgestaltet, in das alle eingeladen werden können.
Noch mehr Infos oder die Möglichkeit sich schon mal zum Mitmachen anzumelden gibt’s an einem Stand auf dem Kiezfest im Kosmosviertel am 08.Juli. Und wer es gar nicht abwarten kann, Infos gibt’s natürlich auch wie immer beim Quartiersmanagement. Also mal sehen was der Sommer an Ideen mit sich bringt.
Bilder: Kollegen 2,3 – Büro für Kulturangelegenheiten
Quartiersmanagement Kosmosviertel
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Sprechzeiten: Di. 10 bis 12 Uhr; Mi. 18 bis 20 Uhr
An der Siriusstraße im Kosmosviertel Altglienicke kann endlich gebaut werden. Die alte Planung für das Neubaugebiet sah an dieser Stelle einen DDR-typischen „Dienstleistungswürfel“ vor, bestehend aus einer HO-Kaufhalle, einer HO-Großgaststätte, einer Serostation, einer Reparaturannahmestelle und einen FDJ-Jugendklub. Dann kam 1989/1990 die Wende mit ihren ganzen politischen und wirtschaftlichen Veränderungen. Man entschied zunächst einmal auf Baustopp im Kosmosviertel. Die Wohnungen wurden zwar recht bald weitergebaut, aber nicht der besagte Würfelkomplex. Hier stellte man nur die Kaufhalle fertig, wo ein Kaiser’s Verbrauchermarkt Einzug hielt.
Für den Rest fand sich kein Pächter, bis auf die zeitweise temporäre Nutzung von Gebäudeteilen. Auch politisch war immer gewollt, etwas Zeitgemäßes neu zu errichten. Etliche Bemühungen zum Verkauf scheiterten. Auch eine Gruppe Altglienicker Gewerbetreibender, die ein eigenes Konzept vorlegte, kam nicht zum Zuge. Problematisch für einen Verkauf war eine unter dem Gebäude verlaufende Gasleitung, was nach bundesdeutschem Baurecht unzulässig ist. Diese musste zunächst verlegt werden. Die Frage, wer die Kosten dafür trägt, stand im Raum. Auch der Pächter Kaiser’s musste bei allen Planungen rund um die von ihm genutzte Fläche seine Zustimmung geben. Das Gebäude verfiel zunehmend und verkam immer mehr zur sprichwörtlichen „Momper-Ruine“. Fast zwei Jahrzehnte währte die Debatte über einen Abriss. Ende 2011 war es schließlich soweit, doch auf einen Baubeginn musste man abermals warten. Im Sommer ärgerten sich bei langer Trockenheit Anwohner über gelegentlich zu ihnen herüberziehende Sandstürme. Jetzt soll tatsächlich etwas passieren. Ende Februar 2014 unterzeichneten Bezirksbaustadtrat Rainer Hölmer (SPD) und Walter Momper als Vertreter der Momper Projektentwicklung GmbH einen modifizierten städtebaulichen Vertrag. Er setzt die Rahmenbedingungen für die Errichtung des geplanten Nahversorgungszentrums im Kosmosviertel Altglienicke. Eigentlich war schon 2011 ein solcher ausgehandelt, aber der Vorhabenträger, vertreten durch den ehemaligen Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses, brachte plötzlich zahlreiche Änderungswünsche und so mussten die Verhandlungen aufs neue fortgeführt werden. Der Vertrag, der Regelungen des Bebauungsplans 9-29 VE ergänz, dient nicht zuletzt auch Voraussetzung für die Erteilung einer Baugenehmigung für das konkrete Projekt. Diese wurde bereits seitens des Bauherren Domos GmbH, vor Ort vertreten durch die Momper Projektentwicklung GmbH, beantragt.
Das Bezirksamt Treptow-Köpenick sieht dem Baubeginn zuversichtlich entgegen. Bezirksstadtrat Rainer Hölmer begrüßt die Veränderungen in Altglienicke: „Ich freue mich, dass sich die Bauherren nun
endlich entschlossen haben, an diesem Standort in die Realisierungsphase überzugehen. Die Neuordnung und Nutzung der seit Jahren vorhandenen Brachfläche beseitigt einen städtebaulichen Missstand
und wird dem Quartier gut tun.“ Weiter heißt es: „Mit dem Neubau des Nahversorgungszentrums kann eine Stabilisierung und Funktionsfähigkeit des Ortsteilzentrum Siriusstraße erreicht werden,
vorhandenes Entwicklungspotenzial genutzt und insgesamt eine Aufwertung des Ortsteils Altglienicke erzielt werden.“
Überwiegend soll das teilweise zweigeschossige Zentrum für Einzelhandel genutzt werden. Hauptmieter wird die vor Ort bereits ansässige Kaiser’s Tengelmann-Gruppe mit einem Verbrauchermarkt sein.
Ergänzt wird der Markt durch einen Discounter und kleinere Ladengeschäfte. Die Einzelhandelseinrichtungen umfassen insgesamt Verkaufsflächen von rund 4.000 Quadratmeter. Zur Siriusstraße sowie zu
den angrenzenden Fußgängerbereichen erhält das Gebäude ein Obergeschoss, das vorrangig an Arztpraxen sowie Gesundheitspflegeeinrichtungen vermietet werden soll. Dafür stehen dann Raumflächen mit
rund 1.300 Quadratmeter zur Verfügung. Das mit der Bauausführung beauftragte Bayreuther Unternehmen Domos GmbH, ein Teil der Firmengruppe Harry & Michael Krause, war bisher vor allem im
sächsich-fränkischen Raum aktiv. Zu den Referenzen zählen Einkaufszentren wie die „Elbgalerie Riesa“, das „Elsthal-Center Luckenwalde“ und der „Shopping-Park Chemnitz“, daneben unzählige
Fachmarktzentren und Filialen von Aldi, Lidl, Netto und Norma. In Berlin selber war das seit 30 Jahren bestehende Unternehmen laut eigener Internetpräsenz bisher allein mit dem im Bezirk Mitte
befindlichen Fachmarktzentrum Friedrich-Krause-Ufer tätig. Da soll demnächst ein kleines Einkaufszentrum im Neubaugebiet Altglienicke hinzukommen.
Joachim Schmidt
Ein kleines Berliner Wohngebiet, das in seiner Randlage an der ehemaligen Staats- und heutigen Bezirksgrenze zwischen Treptow und Neukölln nur Wenigen bekannt sein dürfte:
Das "Kosmosviertel" in Altglienicke.
Das noch zu DDR-Zeiten zwischen 1987 und 1990 in Plattenbauweise errichtete Gebiet an der Schönefelder Chaussee wird als Kosmos-Viertel bezeichnet.
Auf den ersten Blick ist das so genannte Kosmos-Viertel in Altglienicke - benannt nach Straßen, die Venus-, Pegasus- oder Siriusstraße heißen - ein Wohnviertel wie viele andere in dieser Stadt.
Seine Straßennamen künden von fernen Planeten, Sternen und Sternbildern und sollten vielleicht das kosmonautische Fernweh seiner reisebeschränkten Bewohner in der nach oben offenen Hauptstadt der
DDR stillen, zumal sie die Berliner Mauer von den Hochhäusern an der Schönefelder Chaussee aus stets vor Augen hatten. Kosmosviertel klang einfach besser als Wohngebiet 2, und da die zugezogenen
Bewohner, die von weither kamen, sich nicht sonderlich integrationsfreudig zeigten und eher großstädtische Anonymität bevorzugten, nannten die Altglienicker sie bald die Außerirdischen.
In den Elf-, Fünf- und Dreigeschossern leben rund 6000 Menschen. Fast alle Häuser wurden zwischen 1989 und 1991 erbaut, die wenigen, die später errichtet wurden, fallen nicht weiter ins Gewicht.
Wenn man mit der S-Bahn in diesen Teil von Altglienicke reist, merkt man gleich, dass man am Stadtrand ist. Endlos weit ziehen sich die Einfamilienhäuser hin, und nur die etwas breiteren
Hauptstraßen, auf die man manchmal trifft, helfen bei der Orientierung. Auf einmal aber weitet sich der Weg, und an die Stelle der Eigenheime tritt eine Plattenbauzeile, die sich stufenweise von
drei auf sechs Geschosse erhebt, um den Wechsel der Bebauung dem Auge sanfter zu machen. Die Variation der Bauhöhe setzt sich im Laufe des Wohngebiets, das seine Bezeichnung von den nach
Himmelskörpern benannten Straßen hat, immer weiter fort bis zu den elfgeschossigen Scheibenbauten, die die Höhendominanten des Viertels bilden. Unglaublich eigentlich, dass zu einer Zeit, als die
Großsiedlung Berlin-Hellersdorf mit fast durchgängig fünfgeschossiger Bebauung errichtet wurde, in diesem kleinen Wohngebiet noch immer solche Hochhäuser emporschossen.
Die aus hellgrauen und braunen, mit Klinkermustern verzierten Betonplatten bestehenden Fassaden sind glücklicherweise auch noch zu großen Teilen nicht saniert worden und haben das augenscheinlich
auch gar nicht nötig. Im Wohngebietszentrum sind in die Erdgeschosse Ladenzeilen eingebaut, so dass eine kleine Flaniermeile entsteht, die einzige wirklich urbane Zone inmitten der
weitgestreckten, ausschließlich dem Wohnen vorbehaltenen Fläche von Altglienicke - der Ort wird sozusagen vom Rande her urbanisiert.
Gewiss haben inzwischen Kindergärten, Schulen, Jugendtreffs, ein Kinderzirkus, das Bürgerhaus mit seinen sozialen, kulturellen und kirchlichen Angeboten oder der neue Landschaftspark ein wenig
zum Wurzelschlagen beigetragen und bei den Sesshaften auch ein Heimatgefühl entwickeln können. Ob die oft wechselnden Einzelhändler und Restaurantinhaber, die Senioren und Pflegeheime oder die
Supermärkte auch daran teilhaben, bleibt offen. Da müssten wir die zwischen den Bauwagen spielenden Kinder von damals oder deren Kinder befragen, die heute vielleicht Hundekot und Invest-Ruine,
Zigarettnamesen und Neonazis stinknormal finden.
Das Zentrum dieser Altglienicker Satellitenstadt hatten die DDR- Stadtplaner 1988 mit einer Kaufhalle, einer HO-Großgaststätte, einer Stadtteilbibliothek und einer Schwimmhalle an der
Siriusstraße vorgesehen. Dazu ein Grünzug als Park an der Venusstraße, der an Spielplätzen vorbei in eine als Fußgängerzone angelegte Ladenstraße übergeht und über die Siriusstraße hinaus das
gesamte Neubaugebiet durchzieht und an der Uranusstraße endet. Neben den Park ein Altenheim und eine zweite Kaufhalle, Schulen und Kindertagesstätten in geschützten Bereichen. Die Wohnbauten
wurden rechtwinklig zu einander gestellt, denn der Kran und der vorgegebende Bauetat diktierten die Gestaltung des umfangreichen Bauvorhabens. Der Großplattenbaukasten ließ wenig Spielraum für
Varianten.
Einige Bauten an der Schönefelder Chaussee sind noch im ursprünglichen DDR Design erhalten. Wilder Wein schmückt ihre Fassaden und erklimmt inzwischen das achte Stockwerk. Mit hellblauem oder
hellgrünem Fassadenanstrich heben sich die abgestuften Wohnquartiere an der Venusstraße deutlich davon ab. Sie wurden in der Obhut der Wohnungsbau-Genossenschaft Altglienicke e.G. komfortabel
modernisiert und erhielten verglaste Loggien und überdachte Eingänge. Auch zur Siriusstraße hin hat sich das Bild durch neue Fassadengestaltung wesentlich verändert und verbessert.
Die zur Wendezeit fertiggestellte Kaufhalle wurde in einen Kaiser,s Verbrauchermarkt verwandelt. Die günstige Zufahrt an der Schönefelder Chaussee nutzten inzwischen weitere Supermärkte.
An der Ecke Rheingoldstraße, die den Namen eines bei einem Fluchtversuch an der Berliner Mauer Erschossenen erhielt und seit 2009 Lutz-Schmidt-Straße heißt enden die Altglienicker Siedlungen an
der Schönefelder Chaussee. Dann folgt der neue Landschaftspark Rudow-Altglienicke und die Autobahn. An der Uranusstraße ist die Ortsgrenze und damit die Berliner Stadtgrenze erreicht. Einige
Meter weiter an Wehrmathen vorbei befindet sich die Autobahn. Dort an dieser Stelle überspannt eine mehrspurige von mächtigen Säulen getragene Brückenkontruktion unseren einstigen alten
Schönefelder Weg mit den Autobahnauf- und -abfahrten Schönefeld Nord als imposantes "Tor nach Altglienicke".
Nach 1990 entstanden als weitere Neubaugebiete das Kölner Viertel, das Ärztinnenviertel und das Anne-Frank-Carée. Die Namen nehmen Bezug auf die in den Vierteln vorherrschenden Straßennamen.
Die Geschichte des Kosmosviertels begann wie die Ausstellung zeigt vor genau 25 Jahren mit einem Beschluss des Ost-Berliner Magistrats am 31. August 1987 zur „Komplex-territorialen
Aufgabenstellung und städtebauliche Leitplanung für den Wohnungsbaustandort Altglienicke im Stadtbezirk Berlin-Treptow“, wie es im damaligen DDR-Behördendeutsch formuliert wurde. Zwischen 1989
und 1992 sollten demnach nach Abschluss der Vorarbeiten im Zuge des komplexen Wohnungsbaus 16.000 neue Wohnungen entstehen, so dass der Ortsteil am Ende mal 62.000 Einwohner haben sollte.
Zweieinhalbmal so viele wie es am Ende kraft der gesellschaftlichen Veränderungen wirklich wurden. Zielsetzung der Planungen waren die Wege für Arbeiter aus den Industriestandorten Treptow,
Schöneweide und Köpenick zu verkürzen und diese möglichst auch über den Betrieb hinaus in einem gemeinsamen Wohnumfeld einzubetten über den Betrieb hinaus in einem gemeinsamen Wohnumfeld
einzubetten.
Darüber hinaus waren Teile der Großsiedlung auch für Interflug-Mitarbeiter des nahen Flughafens Schönefeld wie auch der Grenztruppen angedacht. 70% der neuen Siedlungen plante man als Vier- bis
Sechsgeschosser, die restlichen 30% höher. Geplant waren ganze acht Kaufhallen zur Versorgung des täglichen Bedarfs. Darüber hinaus ein zentrales Warenkaufhaus. Für die gastronomische Versorgung
sollten sechs Wohngebietsgaststätten dienen, darüber hinaus eine Tanzgaststätte mit 150 Plätzen sowie eine Spezialitätengaststätte „auch für Nachtschwärmer“. Perspektivisch war ein Hotel mit 600
Betten vorgesehen. Für die Gesundheitsbetreuung sollten drei Polikliniken mit 90 Ärzten zur Verfügung stehen. Ganze 14 polytechnische Oberschulen wurden in dieser Neubausiedlung vorgesehen, nebst
unzähligen Kinderkrippen und -tagesstätten. Für das Freizeitangebot sah das Konzept fünf Jugendklubs, fünf Wohngebietsklubs, ein „Klubhaus mit Filmbespielung“, zwei Klubs der Volkssolidarität,
drei Bibliotheken und eine Musikschule vor. Die Post verpflichtete sich bis 1990 in Altglienicke zusätzliche 7.000 Telefonanschlüsse einzurichten, die später nach 1990 auf 30.000 erweitert werden
sollten, nebst 200 öffentlichen Münzfernsprechern. Unterteilt war das Vorhaben ursprünglich in vier Bauabschnitten zu errichtende Wohngebiete. Dabei sollte sich das Neubaugebiet in großen
Ausmaßen von Altglienicke bis weit nach Schönefeld hinein erstrecken. Das Wohngebiet 1 nördlich des S-Bahnhofes Grünbergallee kam über Fundamente und wenige eingeschossige Rohbauten nicht hinaus.
Anfang der 90er Jahre wurde entschieden diese wieder abzureißen und das gesamte Areal zeitgemäß ohne Plattenbauten neuzubeplanen. Die Wohnkomplexe 1.1 und 1.2 wurden ab 1994 das heutige „Kölner
Viertel“, das 1.3 ab 1996 das sogenannte „Ärztinnenviertel“ am Mohnweg und schließlich das 1.4 das „Anne-Frank-Carré“ an der gleichnamigen Straße. Realisiert wurde in Plattenbauweise lediglich
das zuerst begonnene Wohngebiet 2, mit Ausnahme des südlich der Stadtgrenze gelegenen Wohnkomplexes 2.4, wo Schönefeld später die Siedlung Wehrmathen errichten ließ. Das Wohngebiet 3 sollte sich
dahinter zwischen Waltersdorfer Chaussee mit der damaligen Grenzübergangsstelle nach West-Berlin und Dorfanger Schönefeld erstrecken. Diese Fläche ist aktuell immer noch weitgehend Brache, wird
aber in den kommenden Jahren nun mit einem modernen Wohnquartier Neu-Schönefeld bebaut.
Westlich des Schönefelder Dorfangers sollte nach alter Planung in Richtung Waßmannsdorf das Wohngebiet 4 abschließen. Auf dieser brach gebliebenen Fläche entstand ab Ende der 90er Jahre eine
Mehrfamilienhaussiedlung mit Hotel und neuem Schönefelder Ortszentrum, so auch ein modernes Rathaus und eine Schwimmhalle. Eine Schwimmhalle sah die DDR-Planung übrigens auch schon mal vor und
zwar an der Ecke Schönefelder Chaussee / Siriusstraße westlich der Kaufhalle.
Als erster Bau wurde im Sommer 1988 seitens der Post (heute noch in Regie der Telekom existierend) die Telefon-Ortsvermittlungsstelle Birnenweg / Ortolfstraße errichtet. Gleichzeitig baute man
1988 im unterirdischen Schildvortrieb eine 13 Kilometer lange Röhre quer durch Treptow-Köpenick, die zum einem Trinkwasser vom Wasserwerk Friedrichshagen nach Altglienicke bringen sollte, zum
anderen Fernwärme, Abwasser und Elektroenergie zur Versorgung des neuen Wohngebietes aufnahm. Am 17. Januar 1989 war es dann auch mit dem Wohnungsbau soweit: An der Schönefelder Chaussee wurde
nahe der Venusstraße die erste Platte für einen Sechsgeschosser gesetzt. Hier waren im Vorfeld Proteste aus der Altglienicker Bevölkerung, auch seitens der ortsansässigen Blockparteien,
erfolgreich, denn südlich der Einfamilienhaussiedlung Altglienicker Grund sollten bis zu 11-geschossige Gebäude rund um das Pegasuseck stehen. Die Planung wurde mit Rücksicht auf die
Einfamilienhäuser an Geschosshöhe reduziert. Im September 1989 waren an der Schönefelder Chaussee die ersten Häuser soweit, dass pünktlich zum 40. Jahrestag der DDR erste 620 Wohnungen bezogen
werden konnten. Zwei Monate später sorgten der Fall der Mauer und der Wendeprozess für einen kurzzeitigen Baustopp, mit einer Debatte wie es nun mit dem Wohngebiet weiter gehen sollte. Im Februar
1990 gab es ausgehend vom Runden Tisch Protestdemonstrationen, die bis vor das Rote Rathaus führten gegen die Zerstörung des gewachsenen Siedlungscharakters Altglienickes. Im Ergebnis wurde
entschieden, alles was als Rohbau fertig war noch zu vollenden, mit Ausnahme des kürzlich abgerissenen Dienstleistungswürfels neben Kaisers, die anderen Teile städtebaulich grundlegend zu
überarbeiten. Heute unvorstellbar ist wie zerstörerisch sich ohne die Wendeereignisse 1989/90 das Neubaugebiet auch in den historischen Ortskern Altglienickes eingegraben hätte.
Geplant war zur verkehrlichen Anbindung die Köpenicker Straße / Schönefelder Chaussee vom Adlergestell an nach Schönefeld vierspurig mit einer relativ niveaufreien und kurvenarmen Straße
auszubauen. Im historischen Dorf, auch das zeigt die Ausstellung in einem Sonderteil, sollten dafür viele Häuser abgerissen werden, so unter anderem der Hannemann‘sche Hof, die Gaststätte Ebel
mit der gesamten Seite der Köpenicker Straße, die alte Post und die gesamte Bebauung zwischen Sportplatz und Schule am Berg. Die Pfarrkirche wäre eine verkehrsumtoste Insel auf einem
Mittelstreifen geworden. Grünauer und Rudower Straße sollten beiderseits der Köpenicker Straße Sackgassen werden. In diesem Zuge war auch schon damals die Einstellung der Straßenbahnlinie 84 vom
Magistrat geplant, wie es dann 1994 unter andere Umstände kam.
In jüngerer Zeit geriet das Kosmosviertels hier und da in negative Schlagzeilen, ist es doch auch ein sozialer Brennpunkt. Die aktuelle Ausstellung im Bürgerhaus bietet einen Anlass sich dem
Wohngebiet mal auf andere Weise anzunähern und vielleicht auch über eine gewisse Identitätsstiftung positive Entwicklungen in Altglienicke voranzutreiben.
(Dieser Artikel wurde vom Herausgeber der Zeitung "Der Dörferblick" - Herr Joachim Schmidt zur Verfügung gestellt. Vielen Dank)